Schwierige Situationen bekommen nur starke Menschen

02 März 2021
Opernsänger Levente Molnár erzählte von einer Bekräftigung im Glauben am Board eines wegen eines technischen Fehlers in Gefahr geratenen Flugzeugs und über den Schmerz, der uns im Ausland vermeidet, den wir aber hierzulande tief verspüren können.

Der kaum 38 Jahre alte Bariton hat schon in fast allen bedeutenden Opernhäusern der Welt gesungen, vor dem Publikum der New York Metropolitan schon zwei Hauptrollen, trotzdem zog ihn sein Herz nach Hause zurück. Hier zuhause will er leben, im Dienst seiner Familie, seiner weiteren Heimat und seines Volkes. Dieses Mal haben wir uns mit ihm nicht über die Entfaltung und Erfüllung seines Berufs, oder über das Rampenlicht, nicht einmal über die voraussichtlichen Aufführungen der Oper Bánk Bán unterhalten – wir haben uns dafür interessiert, woher dieser tiefe Glaube und Heimatsfürsorge kommt, die Levente Molnár so erhitzen, und warum er das ungarische Volk ein „Wundervolk“ nennt, dem nicht zufälligerweise gerade jetzt die Aufgabe der Organisation des Eucharistischen Kongresses erteilt wurde. Er findet, Gott stelle nur starke Menschen vor schwierige Situationen.

Foto: Vera Éder /Coopera

- „Als ich Hazám, hazám („O Land, so lieb, mein Vaterland!“) singe, schwindet mir manchmal sogar die Kraft aus den Beinen, so wichtig ist es. Für solche Momente lebe ich“ – sagten Sie kürzlich in einem Interview. Was spüren Sie, woran denken Sie, wenn Sie die berühmteste Arie der Oper Bánk Bán singen?

-Ich muss erzählen, was ich empfinde, als ich mich darauf vorbereite, noch ehe ich auf die Bühne gehen würde: ich habe das Gefühl, dass ich öffentlich beten würde. Ich sage ein Gebet, das die Autoren in einem gesegneten Augenblick geschaffen haben. Deswegen ist seine Vermittlung eine ungeheure Verantwortung. Hazám, hazám ist nicht nur ein beliebtes Werk, weil es eine schöne Melodie und einen schönen Text hat: sein Erfolg mag auch darin liegen, dass es sein Ziel erreicht. Einem, der nicht glaubt, aber eine ungarische Identität hat, dem kann es Gott näherbringen. Und einer, der religiös ist, aber von dem die nationale Identität weiter entfernt ist, wird den Wert des ungarischen Bewusstseins kennenlernen. Hazám, hazám kann ich nur singen, wenn ich das knistern in der Brust verspüre. Ich empfinde es als eine todernste Mission, es zu singen. Ich will, dass es einen erschüttert, zu erkennen, was für einen Druck es bedeutet, wenn man so lebt, dass Gott, Heimat und Familie wichtig sind, und nicht will, dass eines von diesen verletzt wird. Diese Musik spiegelt wunderbar das ungarische Entschlossenheit für den Glauben wider, die Wahl der Ungarn, Christen zu werden. Der Ein-Gott-Glaube ist unser unsichtbares Schild, aber dieses Schild muss gepflegt werden. Darin kann Bánk Bán helfen. Es verwendet sehr oft auf sakrale und respektvolle Art die Worte Gott und Heimat, miteinander in Verknüpfung. Der eine ohne die andere, wir wissen, wohin dies führen kann.

Der Glaube ist wie das Immunsystem

- Sie sagen, das nationale Gefühl entsteht im Menschen durch Gott und das Gebet?

- Ja, und das macht die Sache noch erhebender. Wir sind ein religiöses Volk, von Glauben erfüllt. Unser Volk ist ein Wundervolk. Wir waren die ersten der Welt, die in 1568 auf der Nationalversammlung in Thorenburg, unserer Zeit voraus, die freie Religionsausübung anerkannt und offiziell gemacht haben. Wir haben es akzeptiert, dass jeder aus eigenem freiem Willen, unabhängig von der Konfession, den Ein-Gott-Glauben ausüben kann. Wir können auf unsere Sportleistungen, auf unsere Erfindungen stolz sein, aber vor allem darauf, welch ernsthaftes Zeugnis wir von unserem Glauben und der Akzeptanz abgelegt haben. Die Ungarn leben sehr schön in diesen vielfältigen Glauben zusammen – denn bei jedem ist das Wesentliche dasselbe: Liebe, Respekt, Akzeptanz. Darin sind Siebenbürgen und die Ungarn am Stärksten: In dieser engen Beziehung zu Gott. Wie viele Priester und Bischöfe von uns haben sich für die Wahrheit der Nation eingesetzt und konnten diese als Märtyrer, Blutzeugen sogar vertreten!

- Wie Bischof Áron Márton in 1944 in Cluj gesagt hatte: „Im Schutz der Wahrheit und im Dienst der Liebe ist die Verfolgung und das Gefängnis keine Schande, sondern eine Ehre.“…

- Die Erhaltung der Ungarn der Diaspora wäre ohne Glauben unvorstellbar. Diejenigen, die an ihrem Geburtsort bleiben, können mit der Kraft des Glaubens dortbleiben. Sie glauben an Gott. Sie glauben daran, dass die Ungarn nur durch Gott erhalten werden können. Der Glaube ist beeindruckend. Vom Glauben bekommen wir Selbstvertrauen. Oft werde ich gefragt, woher mein Selbstvertrauen stammt. Daher, dass ich Wurzeln habe und diese sind voll mit Glauben. Der Glaube ist wie das Immunsystem. Es reicht nicht, die Dialekte, die Sagen, die Witze, die Geschichte zu lernen, man muss auch den Glauben kennen. Das ist, was uns richtig erhält. Das ist, was unsterblich ist. Wenn unser Wurzelwerk mit Glauben ernährt ist, erkrankt der Geist nicht so einfach. Mithilfe des Glaubens können wir auch unsere Sorgen lösen, indem wir unser Ego beiseitelegen. Jemand, der Glauben hat, übersteht alle Schwierigkeiten viel leichter. Er wird in der Lage sein, die Sorgen zu minimalisieren. Der Glaube ist ein unsichtbares Schild gegen das Böse. Er lenkt in die Richtung des Guten, und macht uns zum guten Menschenkenner. Viele sagen, sie seien nicht religiös, sie haben aber Glauben. Es ist schon an sich schön, wenn man es individuell versucht, sich der Wahrheit zu nähern. Wir, Szekler, sind auch ein kämpferisches Volk, die mehrmals ein Zeugnis unseres Glaubens abgelegt haben und uns dafür eingesetzt haben; mit Sense und Hacke, wenn es sein musste. Es sollte niemand versuchen, uns zu überzeugen, dass was gut funktioniert, schlecht ist.

Foto: ARTSTART4YOU Egyesületek

Notfall in der Höhe

- Wann haben Sie in sich selbst zum ersten Mal diese Tiefe des Glaubens verspürt, von der sie mit solcher Begeisterung reden?

- Wenn einer geboren wird, bekommt er im besten Fall eine gesunde Mutter und einen gesunden Vater, eine Muttersprache, Bildung. Aber es ist nicht egal, wie er den Alltag erlebt, wie er lernt, zu feiern, wie die Eltern ihn erziehen, ob sie ihn zur Kirche mitnehmen, wie oft sie ihm über Jesus, Gott, die Existenz reden, wie sie ihm den Glauben präsentieren, ob sie ihm überhaupt davon reden. Ich kann mich erinnern, schon als ganz kleines Kind, mit vier-fünf Jahren, habe ich bei der einen oder anderen wichtigen Frage meinen Verstand zum Schweigen gebracht und auf die leiseste Stimme geachtet, auf die stillste, friedenvollste innere Eingebung, denn diese gab mir immer die Antwort. Dann, als der Mensch aufwächst, blickt er anders auf die Welt, und es kommt vor, dass er nicht auf die weise, zahme Stimme hört, sondern auch Wege ausprobiert, die nicht unbedingt in die gute Richtung führen. Der gute Weg ist nämlich sehr schmal, man kann leicht davon abweichen. Aber Fehler haben wir, um zu lernen, damit sich unsere Persönlichkeit entwickelt und wir unseren Weg zurück zu Gott finden. Gott gibt uns so viele Versuchsmöglichkeiten, damit wir immer zu Ihm zurückfinden.

- Hatten Sie solche Fälle des Zurückfindens zu ihm?

- Ich habe mich nie von ihm abgewendet, nicht einmal im Gedanken, mein Glaube war immer tief, aber Fälle der Bekräftigung habe ich erlebt. Zum Beispiel, als wir mit einem Flugzeug fast gestürzt wären. Ich war noch keine 25 Jahre alt und nach mehreren kurzen Flügen war diese meine längste Reise: wir sind mit einem Malév-Direktflug von Budapest nach New York geflogen. Wir sind schon in Ordnung abgeflogen, aber nach Wien ist einer der Motoren stehengeblieben. Wir sind instabil geflogen, die Kofferbehälter haben sich geöffnet, alle sind in Panik geraten. Ich habe in meinem Geldbeutel nach dem Bild der Jungfrau von Schomlenberg gelangt, und habe von Maria tatsächlich die Ruhe und die Hinnahme der Situation erhalten. Wien hat es uns nicht zugelassen, zu landen, weil die Kraftstofftanks voll waren – der Kapitän hat uns kontinuierlich darüber informiert, was passierte -, wir sind also Richtung Ungarn umgekehrt. Wir sind in einer Stunde zurückgekommen. Der Pilot hat den Kraftstoff ausgelassen, damit es, wenn wir auf den Boden knallen, zu keiner großen Explosion kommt, und hat die Maschine mit einem Motor sehr schön gelandet. Es war eine knallharte Erfahrung und zugespitzt noch dadurch, dass wir nach der Landung etwa zwei weitere Stunden lang nicht aus dem Flugzeug entlassen wurden, bis alles untersucht wurde.

- Ich nehme an, Ihr erster Weg nach Ihrer Heimkehr brachte Sie nach Schomlenberg…

-Davor und auch danach bin ich immer zur Wallfahrt in Schomlenberg gegangen. Für mich ist es unvorstellbar, nicht jedes Jahr bei der Jungfrau von Schomlenberg zu sein. Ich habe reichlich Dinge, wofür ich mich bei ihr bedanken kann.

Foto: Bence Hegedűs /4K Media Studio

Hierzulande ist alles wichtig

- Was bedeutete für das Volk der Szekler der Besuch von Papst Franziskus in Schomlenberg?

- Seit zweitausend Jahren kam kein Papst nach Siebenbürgen, und es kann sein, dass dies für ein paar hundert Jahre nicht wieder passiert. Es hat eine unglaubliche Bedeutung, dass Papst Franziskus Csíksomlyó aufgesucht hat. Er kam, weil er gut weiß, dass wir die letzte östliche Bastei der katholischen Kirche sind. Und deswegen sind wir auch die Stärksten. Wie damals bei der Grenzverteidigung, auch jetzt bilden die Szekler die erste Schutzlinie des Glaubens. Dies ist eine ungeheure Verantwortung für uns. Genau deswegen muss ein so ernsthaftes Volk wie das ungarische, immer ein ernsthaftes Standhalten demonstrieren.

- Ist dies auch ein moralischer Aufruf zum Eucharistischen Kongress?

-Schon eine große Sache, dass Budapest ihn veranstalten darf! Ja, auch daraus müssen wir das Beste herausholen und vor der Welt von unserem Glauben Zeugnis ablegen. Wir müssen unsere von Glauben und Spiritualität erfüllte Präsenz im Karpatenbecken zeigen. Auch das wird zeigen, was für ein großartiges Volk wir sind und dass unsere Seele größer ist sogar als das Karpatenbecken. Es ist nicht an ein geographisches Gebiet gebunden. Ja, jetzt leben wir schwierige Zeiten, aber wir dürfen nicht vergessen, dass nur starke Menschen solche schwierige Situationen bekommen.

- Wie läuft Ihr Leben seit letztem Frühling?

- Ich leiste kreative Arbeit und meinem Talent gemäß unterstütze ich das ungarische kulturelle Leben. Mit meiner Partnerin, Viktória Mester, haben wir mehrere Videos gemacht, in einem, mit dem Titel Gebet (Gott segne den Ungarn), singt sogar unsere Tochter, Ajna. Auch über COVID haben wir ein Lied gesungen, es ist sehr lustig, es hat vielen gefallen, auf Facebook haben es über eine Million Menschen gesehen. Leider wurde meine Seite von Facebook gelöscht, ich weiß nicht warum, sie haben es nicht begründet. Auf Youtube sind aber die zwei erwähnten Videos zu sehen.

Mit den Vereinen AstStart4U– den Vereinen Művészeti Alap Értetek (Kunstfonds Für Euch) und Class Értékek (Class Werte) -, halten wir jedes Jahr im August, mit ungarischer Regierungsunterstützung, einen zehntägigen Meisterkurs im Szeklerland für hundert Gymnasiasten mit Unterkunft, Verpflegung, Flöte-, Geige-, Klavier-, Cello-, Klarinette-, und Gesangsunterricht. Wir haben es auch letztes Jahr gehalten, dieses Mal jedoch ohne Lehrer aus Ungarn, aber mit Lehrkräften von renommierten siebenbürgischen Universitäten.

Auch dank Förderung aus dem Vaterland konnten wir den ungarischen Gesangsunterricht an Universitäten starten: In Oradea an der Christlichen Universität Partium, haben wir seit letztem September mit zehn Stipendienplätzen Gesangsunterricht auf Ungarisch. Eines der am besten ausgerüsteten Gesangsinstitute hat hier seine Tätigkeit begonnen. Wir unterrichten sehr talentierte Studenten, sie haben schon bei den Prüfungen des ersten Halbjahres sehr schöne Ergebnisse erzielt.

Zusammen mit Co-Opera haben wir am 19. Dezember 2020. mit dem Titel Schubertiade online – Lieder, Quintette, Gedichte, Prosa zur Erinnerung an Franz Schubert einen Musik- und Literaturabend veranstaltet, den wir aus Pócsmegyer übertragen haben. Aus Pócsmegyer, weil dieser der einzige Ort in Ungarn ist, wo Franz Schubert auf Einladung der Familie Esterházy in 1818 gewesen ist; er hat sich auch später sehr positiv an die dortige Zeit erinnert.

Es ist auch eine neue Oper und ein neuer Film in Vorbereitung. Ich habe ernsthafte Ambitionen und Vorstellungen davon, mit welchen Werken, Dramen wir das Ungarntum, das Karpatenbecken vor der Welt bekannter machen könnten.

Foto: Vera Éder/Coopera

- Sie haben also auch unter den jetzigen schweren Umständen ihren Platz und ihre Aufgaben gefunden.

- Es ist sehr interessant, was diese Situation aus mir herausgeholt hat. Ich habe nämlich begonnen, die gute Seite davon zu suchen. Darin sehe ich auch die Intervention Gottes, vor zwei-drei Jahren habe ich mich nämlich sehr ernsthaft entschlossen, dass ich im Karpatenbecken arbeiten möchte. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause kommen, und jährlich maximal eins- bis zweimal im Ausland Gastauftritte übernehmen. Früher war dies umgekehrt. Dann kam die Pandemie, alle Verträge wurden gekündigt, also habe ich mich so richtig in den Aktivitäten hier zuhause vertieft, und ich fühle mich sehr wohl darin. In der Gesellschaft Co-Opera habe ich auf ein Zuhause gefunden. Die Ernsthaftigkeit der Arbeit lässt sich auch an Bánk Bán sehen, wofür sich auch schon Deutschland und Verona interessieren. Diese Rolle ist mir sehr wichtig. Hier gebe ich alles.

- Neben ihrer Familie und ihrem Sendungsbewusstsein, was war es noch, was Sie so stark nach Hause gerufen hatte?

- Die Tatsache, dass im Ausland, was auch immer um mich herum passiert, es tut nicht weh. Das gehört uns nicht. Es ist besser, hier zuhause zu sein, weil hier alles schmerzt. In Ungarn sind wir traurig, wenn etwas nicht so gut klappt, wir kämpfen dafür, dass alles besser wird, dass wir unsere Heimat, die uns gehört, entwickeln. Denn dies ist eine nationale Angelegenheit. Eine Glaubensfrage. Hierzulande ist alles wichtig. Und jeder Verlust, jede Enttäuschung tut weh. Aus dieser bittersüßen Traurigkeit entspringt alles Schöne und Gute für die nächsten Generationen.

Hoffentlich überwindet die Welt die Not durch die schöne Zusammenarbeit von Glauben und Wissenschaft und hoffentlich wird unser Leben wieder durch persönliche Begegnungen bestimmt. Dazu ist es (auch) wichtig und notwendig, dass wir auf diese leise innere Stimme hören. Achten wir auf ihr Wort, denn von dort kommt die Hilfe.

Gabriella Varga

Foto: 4K Media Studio, CoOpera , ARTSTART4U Vereine